Freitag, 29. August 2008

... wenn der Rasen brennt ...



Rezension

Michael John / Franz Steinmaßl (Hg.)
... wenn der Rasen brennt ...
100 Jahre Fußball in Oberösterreich
Grünbach 2008 (Edition Geschichte der Heimat / Buchverlag Franz Steinmaßl)
473 S.




Der LASK feiert heuer seine ersten 100 Jahr'. Da damit 1908 auch der erste oberösterreichische Fußballverein gegründet worden ist, erscheint dieses umfangreiche Buch zur Feier des Anlasses 100 Jahre Fußball in Oberösterreich. Vor der Lektüre war mir gar nicht bewußt, wie wenig ich über die Historie des Fußballs in diesem Land weiß (darin vergleichbar dem unlängst gelesenen Buch über die Steiermark).

Es gibt hier viele Beiträge über Fußball in Linz, auch abseits der großen Vereine, aber natürlich besonders viel über den LASK. Dabei war der Verein ja für mich immer der unsympathischere der beiden Linzer Vereine - allerdings auf niedrigem Niveau, da mir beide, auch VOEST/FC Linz bis zu dessen Ermordung (auch darüber kann man im Buch nachlesen) - ja eigentlich verhältnismäßig gleichgültig waren. Jetzt weiß ich ein bisserl mehr über deren Geschichte, das Drumherum ihrer Meistertitel 1965 (LASK) und 1974 (VOEST). Den VOEST-Nachfolgeverein Blau-Weiß Linz sehe ich wie die neue Austria Salzburg mit eine gewissen Grundsympathie aufgrund der Wiederauferstehungsgeschichte. Die bei den Linzern dann aber doch etwas fester ist, da es da vorher keine so große Abneigung gegeben hat. Aber jetzt auch nicht so groß, daß ich schon ein Match von denen gesehen hätt', aber kommt schon noch beizeiten. Hat ja aber auch mehr mit Sympathie und Interesse zu tun und nichts mit Fantum. Fan bin ich ja nur von Rapid.

Wieder on topic: Noch interessanter (weil dichter) als die Beiträge über Linz sind die Beiträge über Steyr, Vorwärts, die Amateure etc. Von Vorwärts Steyr ist mir ja v.a. die unvergeßliche Abstiegssaison 1995/96 in Erinnerung, ohne Sieg und mit nur einer Handvoll Punkte. Das liegt aber auch daran, daß damals ja Rapid Meister geworden ist und ich deshalb die Saison so gut im Gedächtnis behalten hab'. Heute ist Vorwärts ja weltberühmt in Österreich, da sie in der 5. Liga (und zuvor noch tiefer) vor tausenden ZuschauerInnen spielen. Auch Erich Hackls biographischer Artikel über das bewegte Leben des Steyrers Rudi Strittich ist sehr interessant. Nett jedenfalls Martin Steinwenders Nostalgie über die Zeit von Vorwärts Steyr in der untersten und vorletzten Spielklasse: "Wer sieht, wie sich in Ternberg die Enns elegant an den Platz heranschmiegt oder in Losenstein die Burgruine über dem Platz thront, der braucht keine Groundhopping-Berichte mehr von irgendwelchen peruanischen oder vietnamesischen Fußballplätzen." Apropos: Im Buch gibt's auch ein Porträt des Linzer Groundhoppers Klaus Mühlberger.

Weiters gibt es zu lesen über den Fußball in Städten wie Wels, wo ich noch nie war, nicht einmal weiß, wo das genau liegt und überhaupt meine gesamten Assoziationen dazu ja da war mal was mit Nazis und dem Bürgermeister glaub' ich und da hats mal einen Konkurs gegeben, drum gibt's da keinen Fußball waren. Zumindest über den Fußballaspekt weiß ich jetzt mehr. Und natürlich gibt's auch (verhältnismäßig wenig, gut so) was über Ried, aber auch was über den oberösterreichischen Frauenfußball und Dörfer, deren Namen ich noch nie gehört habe und wo ich mir wohl neben der Lektüre einen Atlas hernehmen hätte müssen.

Daneben wurden auch Lücken in meinem bisherigen Wissen der gesamtösterreichischen Fußballgeschichte aufgefüllt, so über Teilnahme, Verlauf und Abschneiden bei den vom Naziregime orchestrierten Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Davon, daß hier das Achtelfinale Österreich gegen Peru bei 2:4 für Peru abgebrochen worden ist, da sich die Peruaner Spieler mit Fans geprügelt haben, hab' ich noch nie wo gelesen. Dabei war zumindest laut Hubert Potykas Erzählung in Lima "die Hölle los. Tausende Menschen protestierten auf den Straßen gegen Österreich, schlugen Fensterscheiben der Geschäfte ein und stürmten das Konsulatsgebäude. Weil die FIFA unnachgiebig blieb, reiste Perus Mannschaft aus Protest vorzeitig ab, und die Österreicher standen kampflos im Semifinale."

Der spannendste Artikel des Buchs stammt von Walter Kohl, der den oberösterreichischen Fußball in der Nazizeit beleuchtet. Seine Darstellung der Sportberichterstattung in der Presse ist hochinteressant. Ein kleiner Ausschnitt des Texts war im letzten Ballesterer zu lesen: die sensationelle Passage, daß das Mauthausen, das 1944 Herbstmeister der im Frühjahr 1945 kriegsbedingt abgebrochenen oberöstereichischen Meisterschaft wurde, eine Mannschaft aus SS-Leuten war, nämlich der Wachmannschaft des KZs. Deren Fußballplatz war vor den Toren des Lagers und zumindest beim Spiel von Steyr wurde die Gastmannschaft nachher zum Bankett ins Lagergelände eingeladen, wo sie von Häftlingen bedient wurden. Eine gespenstische Vorstellung!

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